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Archiv für den Monat: Juli 2019

RAMMLIEDER



Meine liebste Einstellung im „Deutschland“-Video von Rammstein zeigt die Häftlinge des Konzentrationslagers, wie sie in plötzlicher Umkehrung der Situation die Gewehre anlegen und wiederum ihre Nazi-Schergen töten. Dass sie dabei nicht verschämt und vergleichsweise heroisch ins Herz treffen, sondern den Schrot mitten ins Gesicht ihrer Peiniger schiessen, hat mir gut gefallen. Ebenso wie die Tatsache, dass beide Seiten von den Musikern der Band dargestellt werden, was die Idee der Ambivalenz unterstreicht, für die die Band verlässlich garantiert wie kein anderes Kunst-Kollektiv in ihrer mutlosen, traurig ambivalenzfreien Heimat.

    

Meine liebste Einstellung im „Radio“-Video von Rammstein lässt Till Lindemann für einen kurzen Augenblick selbstvergessen in die Ferne schauen, mit einem Blick, der mich an etwas erinnert: auch in Tchao Pantin („Am Rande der Nacht“), dem französischen Film Noir von 1983, wechselt Coluche für einen kurzen Moment den Ausdruck in seinen Augen und erzeugt damit ein fast schon ikonisches Abbild seines Gesichts, randvoll mit Melancholie und Gleichgültigkeit gegenüber einer Zukunft, die für ihn nichts mehr bereitzuhalten scheint. Das bezieht sich wohl in erster Linie auf den Tankwart Lambert, den er bei Claude Berri zu spielen (und zu überwinden) hatte, aber Coluche stiess dann tatsächlich mit seinem Motorrad frontal und ohne Helm in einen Lastwagen und starb. Lindemann hingegen füllt im Augenblick die Stadien aller deutschen Grossstädte. Hier hat sich der Gedanke der Ambivalenz selbständig gemacht und greift in Bereiche ein, die niemand unter Kontrolle haben kann und die undurchschaubar bleiben müssen. Es ist seltsam beruhigend und beunruhigend zugleich, dass es möglich ist, von der Kunst darauf gelenkt zu werden.