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Archiv für den Monat: September 2020

ELVIS LÄSST EINEN FAHREN

Ich hatte kurz Lust aus aktuellem Anlass über den Haushalt und das Putzen zu schreiben, aber dann steckte unter den Verkrustungen zuwenig brauchbare Metaphysik. Der einzige Mehrwert schien mir zu sein, dass es danach sauberer ist als vorher und dass das in der Regel gut aussieht. Wigald Boning und Jürgen Urig haben es besser gekonnt und Lyrik quer durch alle Jahrhunderte gesammelt, die sich ausschliesslich mit dem Putzen befasst. Sie haben aber keine gefunden und mussten daher die Gedichte alle selber schreiben. Dafür haben sie das Institut für Putzpoesie – für den sauberen Reim gegründet, das durch Liebe zur schönen sprachlichen Form besticht, keine gymnasialen Reimketten verspricht und in seinen Ergebnissen trotzdem sehr eng mit den Gesetzmässigkeiten der Dichterbranche kuschelt. Es ist zum Glück auch nicht allzu lustig oder allzu lang geworden, ein „Akt der Höflichkeit, denn wir wollen ja bekanntlich alle ins Bett“ (Urig). Wenn man Bonings Managerin darauf anspricht, erntet man jedenfalls einen hintergründigen Blick und ein fein ironisiertes Augenrollen – es fliesst also kein Geld.

Angenehm fällt auch auf, dass keine Scheu vor dem Verlassen des monothematischen Weges besteht: um Elvis, die Note Fis und ein paar goldige Amsel-Küken zusammenzubringen, kann man auch mal gedanklich den Wischmob für einen Moment zur Seite legen. Das entsprechende Gedicht ist ganz zauberhaft geworden, Wigald hat es zur Verfügung gestellt und ich stelle es hier rein, obwohl ich mit Elvis eigentlich nichts anfangen kann, jetzt aber schon. Das Putzen geht nach der Lektüre auch ein wenig beschwingter von der Hand. Ich empfehle übrigens das Produkt „biff Bad Total Zitrus“: es hat vorne eine drehbare Plastikdüse, die dafür sorgt, dass sich ein feiner Sprühnebel über die Armaturen legt, den man dann nur noch wegspülen muss, ohne mühsam herumzuwischen. Bitte ein paar Minuten einweichen lassen.

Als Elvis letztmalig in einen Blaubeer-Pancake biss
vibrierte sein Zwölffingerdarm und es erklang ein hohes Fis,
und als des Königs Körper wenig später leblos in der Kiste lag
da schlich das Fis diskret hinaus, gerade noch bevor der Sarg
geschlossen und verbuddelt wurde.

Eine untersetzte Amsel hörte den verwaisten Ton,
nahm ihn unter ihre Schwingen,
um ihn fortan ihren Kindern vorzusingen,
die über der Leichenhalle in einer Magnolie piepten.
Sechs Tage sang Mutter vor,
am siebten sang der Kinderchor
das „Elvis-Fis“, um nicht zu sagen „Elfis“ nach.

Die Vogelkinder wurden groß und lehrten auch die ihrigen
das je nach Schnabelstellung heikle Fis,
just zwischen f und g.
Und immer wenn ich eine Amsel hör und seh,
wie sie Elfisse trällert,
flattert, schnabuliert und schwebt,
weiss ich – durch sie:
Elvis lebt!

Wigald Boning