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Kategorie-Archiv: hieß vorübergehend emotional vomit

ÉCRITURE AUTOMATIQUE (4)

Der Sinn von Träumen ist, dass man sich beim Schlafen nicht langweilt. Das ist alles. Max Goldt


Habe geträumt, dass ich frühmorgens in einer Küche stehe, irgendwo im Schwarzwald. Das weiß ich, weil in der Nähe meine Mutter begraben liegt, ich müsste lediglich ein paar Serpentinen hochgehen oder -fahren, dann wäre ich in der Nähe des Grabes, tief im Wald. Wie lang sich diese Serpentinen den Berg hinauf schlängeln, ist allerdings unklar. Es kann wahlweise eine lange Wanderung werden, oder eine Sache von Minuten.

Auf dem Herd steht ein großer orangener Topf, ich bin alleine und bereite etwas zu, es ist wohl ein Rindergulasch. Die Regale stehen voll mit Antennen, entsprechenden Empfangsgeräten und Kabeln, trotzdem ist es eine Küche. Die Mutter kommt herein, es ist die Mutter des Hauses, aber nicht meine eigene. Sie ist um die Sechzig, mit schwarzen Haaren und einem braunen Bademantel, sie scherzt und ist gleichzeitig auf eine schlecht gelaunte Art und Weise skeptisch. Mit großer Beiläufigkeit schneide ich Gemüse und Kräuter, rühre sie in den Topf ohne hinzuschauen, mache Witze und lache mit ihr, ich will sie beeindrucken, es steht etwas auf dem Spiel. Nach und nach stehen auch mehr Personen in der Küche, ich mache Scherze, informiere über das Essen, spiele dabei aber verschiedene Versionen der Gespräche und des Gulaschgerichts durch. Es sind ihre Töchter, sie sind einerseits neugierig und interessiert, aber auch kooperativ und helfen mit. Nur eine von ihnen reagiert abwartend und setzt sich ins Regal, wo sie in den Antennen verschwindet, aber niemand wundert sich darüber.

Obwohl ich dauernd Zutaten in den Topf werfe, geht es mit dem Gericht nicht richtig los, alles scheint immer am Anfang zu sein, es gibt keinen Fortschritt obwohl der Herd offensichtlich mit höchster Leistung arbeitet. Es scheint gleich Abend zu werden, und irgendwann wird mir klar, dass das Gericht niemals pünktlich fertig werden kann. Ich scherze noch und erkläre die weiteren nötigen Schritte, gerate dabei aber zunehmend in Panik. Aufgewacht.

 

OFFICE CHART JANUAR

Was wir diesen Monat im Büro hören

Thom Yorke — Suspiria OST

Ohne genau zu wissen warum, bin ich diesem Album ausgewichen, habe es links liegen lassen, ignoriert, auch den Film dazu wollte ich nicht sehen. Ich kannte das Original, ein fürchterlicher Hexensabbat, immerhin von Dario Argento, den Nerds gut fanden, ich vielleicht heute auch. Aber nur wegen Tilda Swinton in der Nebenrolle eines Remakes ins Kino gehen? Man findet ja doch keinen Parkplatz, so Robert Mitchum in einem seiner schlecht gelaunten Interviews.

Und natürlich ging es darum nicht. Sondern um die Mühsal der Fragen, die sich immer wieder stellen, wenn das Mitglied einer als besonders homogen gefühlten Band (Rammstein, Depeche Mode, Tocotronic oder hier eben Radiohead) ausweicht und ein Solo-Projekt, besser: ein Soloalbum veröffentlicht. Was wird zu hören sein? Etwas, womit die Anderen in der Band nicht genug anfangen konnten? Der Beleg dafür, dass es die Anderen nicht braucht um gleichermaßen fantastische Musik zu produzieren, und wofür hat man sie dann eigentlich überhaupt in einer, in seiner Band? Oder es ist umgekehrt der Sänger, der allein gar nicht wirklich gebraucht wird. Offenbar fehlt etwas. Womöglich ist es auch die unbändige Lust, als Musiker immer weiter an allem herum zu schrauben, weil es gerade in der Luft liegt, aber die Anderen schon Feierabend machen und auf dem Weg zu ihren Familien sind. (Nach den vielen Jahren, in denen eine Band erst homogen zu werden beginnt, haben die meisten ja tatsächlich Familien, was einen Teil dieser unerklärlichen Einheit ausmachen könnte. Die Abwesenheit der Anderen könnte auch eine Rolle spielen.)                                                                                                                                             Von Thom Yorke habe ich schon unerhört Schönes gehört, aber auch schon einiges, bei dem schlichtweg die anderen Mitglieder seiner Band zu fehlen schienen. Diese Soloplatten erzählen über Umwege einiges, woran man die Funktion des einzelnen Musikers innerhalb eines Bandgefüges festmachen und sie verstehen könnte, wenn es nur nicht so theoretisch, womöglich ständig im Wandel und im Prinzip scheissegal wäre. Weil bei einer Band, deren Stärke dieser unendlich souveräne Umgang mit allem ist, worüber sich der Außenstehende lustig machen könnte, eine eigene Dynamik gewinnt, dabei aber in ihrer Summe rätselhaft bleibt, zumindest mir, auch wenn man die einzelnen Teile dieser Dynamik erklären könnte. Ich rede hier von Radiohead.

Das Ignorieren hat nichts genutzt, Thom Yorkes Soundtrack ist fabelhaft, mit oder ohne Film und mit oder ohne Mitstreiter, und die Ballade Suspirium ist so unendlich weit wie der Himmel, zumindest passt sie gerade so in den jeweiligen Raum, in dem sie gerade läuft, mit diesem perlenden Klavier und dieser Stimme, die einen heulen lässt, wenn man nicht aufpasst. Zum Glück habe ich doch reingehört, ohne dabei zuviel nachzudenken.

Außerdem:

Radiohead – True Love Waits (Band Version)

Thom, Jonny and a CR78 – Radiohead: The Numbers

Thom, Jonny and a CR78 – Radiohead: Present Tense

Jonny Greenwood – House of Woodcock (Phantom Thread OST)

Jonny Greenwood – Tree Strings (You Were Never Really Here OST)

Atoms For Peace – Rabbit in your Headlight

Thom Yorke – Youwouldn’tlikemewheni’mangry

Thom Yorke – Analyse (Live at Mercury Music Award)

Thom Yorke – Ingenue (Live at Jonathan Ross Show)

Thom Yorke & Nigel Godrich – Nose Grows Some (Live at Club 2 Club Turin)

Thom Yorke – Unmade

Radiohead – Weird Fishes (by Tobias Stretch)

Atoms For Peace – Before Your Very Eyes

Die Links führen in der Regel zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.

 

OFFICE CHART NOVEMBER

Was wir diesen Monat im Büro hören

Goldroger – Avrakadavra

Goldroger: Weitersagen! Fabelhafter super smoother Schnuffibär! Derbe Dope, sein Sound! „Der Basti“, mit Angler-Hut, das Herz schlägt links, Gymnasial-Rapper! (Klingt das so nett, wie es soll?) Aber mal kurz den Hut ab: das ist so betörend und zwingend alles, die textlichen Kaskaden so frei, inhaltlich zwischen grad-erst-passiert und kenne-ich-schon-lange, nichts stolpert, kein Ton ist falsch, obwohl es deutscher Rap ist. Schön, in welchen Kosmen sich das bewegt, wenn es personell flirrt zwischen Thomas Mann, Sgt. Pfeffer und einem „Rektor“, der ernsthaft noch eine dämonische Bezugsperson abgibt (Produktion: Dienst & Schulter, die in Sachen Melodien und Beats diesen Jazz haben, den man nicht lernen kann). Was alle sagen: Wieso kenn‘ ich das nicht? Und wieso kennen den nicht viel mehr? Wieso hat der nur vierstellige Lumpen-Klicks bei YouTube und ist auf Spotify ein Phantom, sind die alle irre? Das sagen sie, und es bleibt tatsächlich ein schlimmes Marketing-Rätsel.

Ein bisschen Radio gab es für Perwoll, (über das man aber nichts schreiben kann, wenn man sich auf so unheimliche Weise davon angefasst fühlt wie ich), und wer MK Ultra widerstehen kann, oder Sieben Meilen, der ist ein mindestens unaufmerksamer Mensch und fällt auch auf Schein-Debatten um definierte Auschwitz-Insassen rein. Wenn aber das Herumgebrülle immer wieder nur das tut, was es soll, nämlich Aufmerksamkeit erregen ohne ernst gemeint zu sein, dann haben Farid und Co eben die fetteren Klickzahlen. Wer das weder will noch braucht, wird dafür selig bei Goldroger und seiner Crew. (Semi-magisch auch die Serie Live aus der Leere auf YouTube, mit transirdischen Live-Versionen, Mensch versus Gitarre.) Jeder erzählt ihn weiter, wenn er ihn ein paar mal gehört hat, oder wenn er es mag, dass auf „Molière“ nicht nur „Baudelaire“, sondern auch noch „au contraire“ folgt (M.I.D.A.$.). Das Album ist jetzt fast auf die Woche genau zwei Jahre alt, und es hat sich auch grad erst auf meinen Schoß gesetzt. Also Weitersagen, Himmelherrgott. Im Namen des Pop! Love and Peace allerseits.

Außerdem:

Neil Young – Bad Fog of Loneliness (Live at Massey Hall 1971)

50 Cent – In Da Club (Remix) feat. 2Pac (New 2015)

Wanda – Gemeinsam Rosarot

Grizzly Bear – Ready, Able

Kelly Moran – Helix

Leon Vynehall – Movements (Chapter III)

Helena Hauff – Hyper-Intelligent Genetically Enriched Cyborg

Chilly Gonzales – The Traveller

Max Herre – Berlin-Tel Aviv (Instrumental)

Jeannel – Mind Tricks

Rüfüs Du Sol – Underwater

Nils Frahm – Says (Live on KEXP)

Aphex Twin – T69 Collapse

Gold Roger – Räuberleiter

Goldroger – Friede den Hütten (Ben Bada Boom Remix)

The Cure (featuring James McCartney) – Hello Goodbye (Studio Session)

Die Links führen in der Regel zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.

 

FRANÇOISE ET MOI

Der Junge, das bin ich. Er sitzt vor einem Fernseher, schwarz/weiß wie der ganze Clip, nur bekleidet mit einer Pyjamahose, und er bewundert im Halbdunkel diese enigmatische Sängerin, die auf dem Bildschirm mal als junges Mädchen, dann als ältere, aber nicht gealterte Frau erscheint. Er schläft auf ihren alten Fotos, sie nimmt ihn an der Hand, wie stets im schwarzen Smoking von Yves Saint Laurent, und erzählt davon dass keine Träne ihr die Luft wird nehmen können und alles gut werden wird, wenn sie das Weite suchen und einfach davonsegeln wird, quand je prendrais le Large. François Ozon hat das inszeniert, und Le Large, ein weiteres erratisches Lied, ist die vorläufig letzte Single von Françoise Hardy, der mysteriösesten, entrücktesten Legende des französischen Chanson. Es stammt aus dem Frühsommer diesen Jahres, und der Junge im Video, das bin eigentlich ich, wie gesagt.

Françoise Hardy hat alles verzaubert, was in meiner späten Kindheit oder frühen Jugend in der Pariser Banlieu mit Hilfe einer Tonspur hätte verzaubert und damit erhöht werden können – Soundtrack of my life. Mit einer Stimme wie ein Zauberstab, und einer Erscheinung wie diese älteren Mädchen auf dem Pausenhof sie nunmal hatten, deren unfassbar langen Beine einen nur ganz kurz von dem Gesicht mit den traurigen Augen ablenken konnten, in denen man amouröses Unglück vermuten durfte, aber was hätte man schon machen können? Mit zehn Jahren die schwachen Muskeln spielen lassen, um als imaginierter großer Bruder bei solchen Fabelwesen die eigenen Chancen zu erhöhen? (Welche genau, außer Eindruck machen, und sich selbst dabei lächerlich? – sie hätte es wohl niedlich gefunden, höchstens.)

Ihr erstes Lied schrieb sie noch vor meiner Geburt, und schon in Tous les garçons et les filles war sie kein Teil der restlichen Welt, in der Jungen und Mädchen Hand in Hand und Auge in Auge Pläne für die Zukunft hatten, während sie selbst mit beschädigter Seele allein in den Strassen wie ein geprügelter Hund lief, keinen an ihrer Seite, der ihr „Je t’aime“ ins Ohr hätte hauchen können. Es kann auch ein Fluch sein, so schön zu singen und zu sein. (Wie gesagt, ich war noch nicht geboren worden. Ich hätte es sonst womöglich versucht.)

Tombé du ciel sei Personne d’autre, das neue Album, vom Himmel gefallen, das sagt sie selbst, und genauso fiel es auch in meinen Schoß, durch einen Zufall. Der letzte Kontakt war 2006 Parenthèses, ein Album ausschliesslich mit Duetten an der Seite von Kollegen und Schauspielern, das im Büro und im Auto in Dauerschleife lief. Sie wollte dann keine Musik mehr machen, nach schwerer Krankheit und auch sonst nicht, und lieber ihre Bücher schreiben. Ich habe sie aus den Augen verloren, für viele Jahre.

Aber dann waren die Lieder eben da, wurden mehr und mussten raus. Daraus ist ein so scharf geschliffenes Juwel geworden, dass man es nur mit Handschuhen anfassen sollte; Melodien wurden ihr geschenkt, und wenn diese sie ausreichend verfolgt haben, hat sie einen ihrer so sprachverspielten Texte dazu geschrieben. Mit der Ausnahme von You’re my home, da gab es den Titel schon, und auch den Text, den sie so schön und unübersetzbar fand, dass sie zum ersten Mal seit Jahren auf englisch gesungen hat (das andere Lied ist hier). Was fast noch bezaubernder ist als auf französisch.

Der Trick ist die Scheu. Die Zurückhaltung, die Diskretion, der Abstand. Nicht mit der Tür ins Haus zu fallen (weshalb da immer eine Tür bleiben wird). Françoise Hardy zu duzen verbietet sich quasi von selbst, vor großem Publikum ist sie seit 1968 nicht mehr aufgetreten, Grund ist ihr legendäres, scheinbar unüberwindbares Lampenfieber. Dagegen der ganze YéYé-Schrott aus dieser Zeit, früher war nämlich auch schon nicht alles besser: Eine Brigitte Bardot, die sich mit Duckface-Lippen halbnackt auf der Harley räkelt und Zeilen von sich gibt, die schon vergessen sind bevor das Echo verklungen ist. (Aber die ist ja auch der Meinung, dass man streunende Hunde retten soll, Ausländer dagegen nicht.)

Oder, mit Blick auf die eigenen, seltsam kalt gewordenen Füße: eine Helene Fischer, mit ihren perfiden, verlogenen Durchhalte-Parolen, die sich an die Mutlosen richten, die nie für die Liebe etwas riskiert haben und sich nun den billigen Trost von PR-Profis abholen, angetreten um sich auf dem Rücken dieser traurig alltagszermürbten Zombies die Taschen vollzumachen. Hier soll man sich’s bequem machen in einem selbstgebauten Gefängnis, statt den Schlüssel zur Flucht zu suchen oder besser gleich die Abrissbirne. Schlager kommt offenbar doch von schlagen; Chanson erzählt was anderes: von Liebe und vom Gestern, vom Tod aber nicht vom Teufel.

Madame Hardy hingegen: von der Plattenfirma gebeten, die etwas flache Brust mit Stoff oder Papier auszustopfen, um mehr Sex in die Chose zu bringen: abgelehnt und fertig. Inspiré, pas fabriqué, wollte sie es haben, bis auf wenige Kompromisse in jungen Jahren ist sie auch dabei geblieben. Die Texte, mit einer seltsamen Fülle an Todessehnsucht: wenn von Abschied die Rede ist, gibt man sich nicht die Hand und au revoir, sondern wacht zum letzten Mal an einem anderen Ufer, ohne dass es einen Morgen geben wird, sans pouvoir te dire „a demain“. Rosen, die sterben, Fahrten ohne Wiederkehr, der Staub, der wir Morgen schon sein werden. Poésie? Mais oui.

Und dann ein solches Meisterwerk wie Tant de belle choses, eine der schillernsten Perlen des französischen Liedes, die mit Zartheit und Wahrhaftigkeit um Jahrhunderte alles überdauern wird, was die hässlichen Fratzen der französischen Realität alternativ gerade so zu bieten haben – fick Dich hart weg, Marine Le Pen! L‘Amour est plus fort que la mort.

Jahrzehnte später wird sie immer noch kultisch verehrt von Millionen Franzosen, die ihre gesamte Liebesbiografie als Abfolge ihrer Lieder begreifen und sich zu hunderten nostalgisch, sehr privat oder auch gleich mit fliessenden Tränen in den YouTube Kommentaren verewigen, als wäre es ein Kondolenzbuch. Alle erzählen von Toten, die unvergessen, und Zeiten, die unwiederbringlich sind. Und alle halten sich fest an ihren eigenen Ikonen, von Mon amie la rose bis Message Personnel (zu dem offenbar halb Frankreich das erste Mal gefummelt hat) – Françoise Hardy hat sich aufgelöst in ihrem Publikum und ist ein Teil all dieser Leben geworden. Kurios, wie lang ich dachte damit allein zu sein, ein kleiner Junge mit Pyjamahose, in schwarz/weiss. Wie alle anderen eben auch.

Im Januar wird sie 75. Ich muss mich langsam beeilen, wenn ich den Brief dazu noch fertig kriegen will, in fabulösem französisch, wenn es bitte geht. Wobei: natürlich kann sie auch deutsch, Frag den Abendwind in Radio-Dauerschleife, und schon waren alle Deutschen ebenfalls verliebt, auch wenn sie es mit einem  Schlager verwechselt haben, was dann wohl doch an der Sprache liegt.

Ach, im Grunde reichen auch vier Worte: Je vous remercie, Madame. Rendez-vous dans une autre vie!

 

AMERICANA

Es gibt Dinge, ohne die kein Mensch dauerhaft auskommt im Leben, dazu gehören vor allem immaterielle Werte wie der Klang des London Symphony Orchestra, aber auch der Geschmack einer Apfeltarte mit einem Hauch von Zimt oder, nur als Beispiel, Oralverkehr. Und wenn das Wetter mal mit dem seelischen Zustand im Einklang ist, zählt dazu dringend auch eine Portion amerikanischer Independent Folk- und Countrymusik, ab und zu jedenfalls. Dutzende Compilations gibt es dazu auf YouTube, ich darf schnell diese hier aus dem Sommer 2015 empfehlen.

Ein besonderer Spaß ist dabei, immer dann auf die Playlist zu gehen, wenn einem ein Stück besonders das Herz zerreisst und dabei, wie zur Bestätigung der eigenen Wahrnehmung, immer wieder auf die selben Namen zu stoßen, The Middle East zum Beispiel, Iron & Wine oder auch José González – Superstars, von denen ich noch nie etwas gehört habe, so gehts dem Rest des Landes wohl auch, ausgenommen die entsprechende Nerd-Szene, von der ich annehme, dass es eine gibt, die gibt‘s nämlich immer.

Woran aber liegt es, dass diese immer engelsgleichen Stimmen, die stets klingen, als habe sich erst gestern ein guter Freund auf den Weg ins Jenseits gemacht, dazu die endlos gezupften Gitarrensaiten, die vergeblich versuchen einen riesigen leeren Raum in der Mitte Amerikas zu vermessen, dass die einem also beim Hören so die Luft rauslassen können, und sich damit scheinbar mühelos in diese Unverzichtbarkeit schummeln?

Ich glaube, es sind wiederum immaterielle Dinge, die das so leuchten lassen: Die Landschaft, der Wind, der Geruch des Viehs auf der Weide. Der unbändige Durst, den schon ein Whiskey stillen könnte, einen aber verzweifeln lässt an dieser einsamen Landstraße. Die nach Regen riecht und an der noch nicht mal in der Ferne ein leuchtendes Bar-Schild zu sehen wäre, was der Erdkrümmung zu verdanken ist. (Das Cover, ein recht banales Abziehbild dieser Szene, erzählt davon.) Ein Leben lang wurde das alles inhaliert, um es im Studio wieder rauszusingen.

Alles in allem sind so Giganten entstanden, von Neil Young bis Fleet Foxes. Alle zu heiß gebadet im „Great American Songbook“, als Kinder in ein Fass mit flirrenden Melodien gefallen, fragwürdige Pilze gegessen, die eigene Cousine geschwängert, das schönste Fohlen eigenhändig zur Welt gebracht, was weiß ich. Die brauchen dann ein restliches Leben lang keinen Zaubertrank mehr. Was sie anfassen, wird Song. Das liegt auch am Wetter.