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Archiv für den Monat: Januar 2014

OFFICE CHART JANUAR / FEBRUAR

Was wir diesen Monat im Büro hören

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Frederic Robinson – Mixed Signals

Die Schweiz sendet gemischte Signale, und dass die erst nach ein paar Monaten gemächlich hier eingetrudelt sind, liegt ausnahmsweise mal am Empfänger und nicht am berüchtigten Volkscharakter des Senders, der im Fall Robinson im beschaulichen Basel sitzt und schraubt. Wunderschön vertüftelte Spieluhrenmusik eines 21jährigen, die, wäre sie ein Kleintier, einem verspielten Grottenolm mit gelegentlichen Adrenalinschüben recht nahe käme. Oder, wie Spin schrieb: „Beats that spatter like drops of water in a oiled pan“. Genau richtig für den unentschiedenen Übergang von feuchtblöd zu hoffentlich bald richtig kalt: Scheußliche Welt, bleib draußen! Wir lauschen lieber indoor dem geklöppelten Echo aus den Schweizer Bergen: Bimmelimbim.

Außerdem:

Jóhann Jóhannson – IBM 1401 Processing Unit

Vampire Weekend – Oxford Comma

Ólafur Arnalds – Lojso

Fever Ray – When I Grow Up (Bassnectar Remix)

Cleaners from Venus – Mercury Girl

Jon Hopkins – FACT Mix 388 (einstündiger Mix als kostenloser Download)

Robot Koch – Glassdrops

Husky – Tidal Wave

SBTRKT – I(n) M(emory) O(f)

Glitter – The Village (phänomenales Minimal Techno Live Set hier)

Die Links führen in der Regel zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.

ÉCRITURE AUTOMATIQUE (2)

Der Sinn von Träumen ist, dass man sich beim Schlafen nicht langweilt. Das ist alles.  Max Goldt

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Habe geträumt, dass ich am Schreibtisch sitze, als plötzlich ein kleiner Junge mitten im Büro steht. Er ist ungefähr zehn Jahre alt, ich habe ihn noch nie gesehen, und er lächelt mich herausfordernd an. Er wirkt verletzt und angeschlagen, seine dünnen Haare sind durch eingetrocknetes Blut verklebt. Sein ausgemergelter Körper ist fast nackt, bis auf eine gehäkelte Strickbadehose, die ihm schief auf den dünnen Hüften sitzt. Er möchte offenbar mit mir spielen, gibt mir wortlos zu verstehen, dass ich ihn jagen soll, und rennt plötzlich hinaus ins Freie. Ich folge ihm über die Terrasse in den Garten, wo er hinter Schilfgras spurlos verschwindet.
Als ich zurück ins Haus gehen will, sehe ich, dass er auf dem Rasen Spuren hinterlassen hat: Überall da, wo seine nackten Füße den Boden berührt haben, sind hunderte winziger schwarzer Pilze gewachsen. Ich starre minutenlang auf den Boden, ein modriger Geruch liegt in der Luft. Aufgewacht.

 

CONTAINER 2014: JANUAR

In den Container wandern die kleinen Begeisterungen des laufenden Monats

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Das Aquarium, das Ma Yansong (von dem ich neulich geträumt habe) als kleine Fingerübung für sich selbst entworfen hat. Würde ich mich auch ausserhalb der Küche für Fische interessieren, stünde es schon längst auf einem Granitsockel im Büro

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Das lederbezogene Treppengeländer im Brandhorst Museum München – wenn man mit der Hand daran entlangfährt, wird’s ein bisschen sexy

Die unglaublichen Totalen in “Frozen – Die Eiskönigin“
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Ein kartoffelgesichtiger Bauernschädel, wie aus dem Gemälde eines holländischen Meisters geschnitten, der im königlichen Chor kurz skeptisch zum unsauber intonierenden Nachbarn rüberlinst; eine kleine Schachfigur, die im Vordergrund trudelt und umfällt, als die Prinzessin mit ihrem wirbelnden Rüschenkleid zum Fenster eilt: Nicht ein Gramm vorgefundene Schönheit ist in diesen Bildern, jedes Pixel eine bewusste künstlerische Entscheidung – ein weiterer Beleg für die These, dass Animationsfilme die großen Kunstwerke der Neuzeit sein könnten. Bis auf die nervige Konsenspopmusiksauce: Schiere, sprachlos machende Perfektion in drei Dimensionen

Ann Buchanan in Andy Warhols “Screen Tests“
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Neulich im Videokeller des Museums, Vorführung des schwarz-weißen Films, in dem bekannte und vergessene Pop-Ikonen drei Minuten lang vor der Kamera sitzen und nichts oder irgendwas machen, während Andy laufen lässt und derweil eine rauchen geht: Nur den Kindern fällt schon nach einer halben Minute auf, dass “die Frau da“ kein einziges Mal blinzelt, weshalb ihr auch eine Minute später die ersten Tränen aus den Augen laufen. Aber sie hält tapfer durch, bis die Filmrolle zuende ist. Später trinkt Lou Reed drei Minuten lang eine Cola

Die Simpsons-Folge “Der glamouröse Godfrey“ am 20.1.
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… in der Marge enttäuscht ist, dass Grampa Abe doch nicht schwul ist, weil sie es sonst endlich der selbstgefälligen Pfarrersgattin Lovejoy hätte zeigen können, die mit ihrem transsexuellen Cousin “immer so angibt“ – Paradigmenwechsel, im Zeichentrick längst angekommen

Jacqueline Bisset
in der Dankesrede beim Golden Globe, und die Worte, die ihre Mutter ihr als kleines Kind ins Gesicht geschleudert haben soll: “Go to hell and don’t come back“. Uncooler Spruch für ein kleines Mädchen, aber coole Wirkung, wenn das Mädchen diese Hölle zur Weltkarriere umdeutet und tatsächlich nie mehr heimkehrt

OFFICE CHART NOVEMBER / DEZEMBER

Was wir diesen Monat im Büro hören
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Jon Hopkins – Immunity

Some guys have all the luck: Nicht nur dass Jon Hopkins eine der besten elektrischen Platten des ausgelaufenen Jahres gemacht hat (weniger Club- als Konzeptalbum), aussieht wie Jonny Greenwoods kleiner Bruder (also unverschämt smart) und wunderbare Soundtracks für die Filme „How I live now“ und „Monsters“ komponiert hat. Er bekommt auch noch erstklassige Videos zu seinen Stücken gedreht. Der melancholische Skateboarder mit den blutunterlaufenen Augen in Open Eye Signal, die durchgedrehte Party-Furie in Collider – Inspiration wird einfach weitergereicht, von einem Medium ins nächste. Das geht scheinbar wie von selbst, wenn man sich regelmässig mit Brian Eno zum Tee trifft und seine ersten Synthies vom Preisgeld gewonnener Klavierwettbewerbe bezahlt hat. Ein Hoch also auf das Royal College of Music, und ein Prosit dem gediegenen Elternhaus, das dem kleinen Genie offenbar frühzeitig, aber mit der gebotenen Zurückhaltung applaudiert hat. England’s dreaming!

Außerdem:

Flying Lotus – BBC Essential Mix

Schneider TM & Kpt Michigan – A Light 3000

Atoms for Peace – Default (durchgeknallter Auftritt in der ‚Daily Show‘ hier)

Bryce Hackford – Another Fantasy

Hudson Mohawke – Thank You

Mount Kimbie ­– Blood and Form

Superpitcher – Even Angels (anderes, aber schönes Video hier)

François De Roubaix – La plongée

Alexandre Desplat – Sunrise on Lake Pontchartrain

Die Links führen in der Regel zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.