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AMERICANA

Es gibt Dinge, ohne die kein Mensch dauerhaft auskommt im Leben, dazu gehören vor allem immaterielle Werte wie der Klang des London Symphony Orchestra, aber auch der Geschmack einer Apfeltarte mit einem Hauch von Zimt oder, nur als Beispiel, Oralverkehr. Und wenn das Wetter mal mit dem seelischen Zustand im Einklang ist, zählt dazu dringend auch eine Portion amerikanischer Independent Folk- und Countrymusik, ab und zu jedenfalls. Dutzende Compilations gibt es dazu auf YouTube, ich darf schnell diese hier aus dem Sommer 2015 empfehlen.

Ein besonderer Spaß ist dabei, immer dann auf die Playlist zu gehen, wenn einem ein Stück besonders das Herz zerreisst und dabei, wie zur Bestätigung der eigenen Wahrnehmung, immer wieder auf die selben Namen zu stoßen, The Middle East zum Beispiel, Iron & Wine oder auch José González – Superstars, von denen ich noch nie etwas gehört habe, so gehts dem Rest des Landes wohl auch, ausgenommen die entsprechende Nerd-Szene, von der ich annehme, dass es eine gibt, die gibt‘s nämlich immer.

Woran aber liegt es, dass diese immer engelsgleichen Stimmen, die stets klingen, als habe sich erst gestern ein guter Freund auf den Weg ins Jenseits gemacht, dazu die endlos gezupften Gitarrensaiten, die vergeblich versuchen einen riesigen leeren Raum in der Mitte Amerikas zu vermessen, dass die einem also beim Hören so die Luft rauslassen können, und sich damit scheinbar mühelos in diese Unverzichtbarkeit schummeln?

Ich glaube, es sind wiederum immaterielle Dinge, die das so leuchten lassen: Die Landschaft, der Wind, der Geruch des Viehs auf der Weide. Der unbändige Durst, den schon ein Whiskey stillen könnte, einen aber verzweifeln lässt an dieser einsamen Landstraße. Die nach Regen riecht und an der noch nicht mal in der Ferne ein leuchtendes Bar-Schild zu sehen wäre, was der Erdkrümmung zu verdanken ist. (Das Cover, ein recht banales Abziehbild dieser Szene, erzählt davon.) Ein Leben lang wurde das alles inhaliert, um es im Studio wieder rauszusingen.

Alles in allem sind so Giganten entstanden, von Neil Young bis Fleet Foxes. Alle zu heiß gebadet im „Great American Songbook“, als Kinder in ein Fass mit flirrenden Melodien gefallen, fragwürdige Pilze gegessen, die eigene Cousine geschwängert, das schönste Fohlen eigenhändig zur Welt gebracht, was weiß ich. Die brauchen dann ein restliches Leben lang keinen Zaubertrank mehr. Was sie anfassen, wird Song. Das liegt auch am Wetter.