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OFFICE CHART WINTER

Was wir diesen Monat im Büro hören

Lana Del Rey — Norman f*****g Rockwell!

Ich habe schon gar keine Lust mehr auf ein Lob der Oberfläche, und Lana Del Rey ist ja auch nur ein Beispiel, aber da draussen plappern zuviele tagein, tagaus immer noch den gleichen hohlen Quatsch nach, den ihnen die elitär-steilen, von keiner persönlichen Tiefen-Erfahrung getrübten Pressesprecher des angeblich „Echten“ wieder und wieder diktieren, Authentizität als Wert an sich, irgend so ein Blut-Schweiß-und-Tränen Ding, anstatt endlich zu begreifen, dass Pop unvollständig ist, wenn ihm eines der Elemente fehlt, das Bild, die Idee, der Text, das Geräusch, das Körpergefühl, die Erinnerung, die Euphorie, das Make Up und das Senden und Empfangen dieser ganzen Zusammenhänge, dass es da beim „ausdrucksstarken“ Schrammel-Blues auf einem Kneipenhocker nicht soviel zu holen gibt und dass nichts gewonnen ist, nur weil ein Shirt ordnungsgemäss durchgeschwitzt wurde und ein Instrumentalist erst dann scheinbar alles gegeben hat, wenn man die Virtuosität, die sich stundenlangem Üben von Tonleitern in fernen Kindertagen verdankt, stets zwischen den Zeilen mitschwingen hört, vorher gilt es nicht, und so sprach neulich schon wieder einer, bei Ego FM, die Sendung heisst „Die Vermessung der Musik“, aber der Moderator vermaß nur ganz kurz und wenig und verglich eine israelische Sängerin (Name vergessen) zunächst mit Lana Del Rey, aber dann eben doch nicht, denn die sei ja „nur ein Produkt“, und man steht in der Küche und denkt sich „Was denn sonst, Du F*****kobold?“, und dass „keine Inszenierung“ die banalste und blutleerste Inszenierung von allen ist, es kommt eben immer noch drauf an, wie die Künstlerin die ganzen Koordinaten dieser artifiziellen Kosmen organisiert, arrangiert und präsentiert, die Videos mit den fiberglasigen Alligatoren im Pool, das kalifornische Ding, geboren aus dem Klima, der Gischt und der (untergehenden) Sonne, mit graubärtigen Männern, die Lana auf der Harley mitnehmen, ihre Girls auf der Pritsche des Pick-Ups, gefilmt in dieser verwaschenen Super-8-Optik, die früher einfach Vintage war, dann völlig uncool, heute wieder schön, ich will sie sehen wie sie mit The Weeknd auf dem Hollywood-Sign herumtanzt, dieses ganze unschuldig unentschiedene Mädchending, zwischen Lolita-Smile, Boyfriend-Style und Spritzbesteck, das nur funktioniert, weil diese Stimme so stilsicher zwischen Kunst und Kitsch unterscheidet und so haarscharf an der Kante zum leiernden Gelangweiltsein herumbalanciert, ohne je abzurutschen, dabei sprachlich immer die attraktivsten Bilder entwirft, Oh God, miss you on my Lips / It’s me, your Little Venice Bitch, Will you still love me when I’m no longer young and beautiful?, I’m in Love with a Dying Man, You’re so Art Deco, es geht um dunkle Paradiese und 13 Strände, von denen erst der letzte menschenleer war, um Videogames und Ultraviolence, und wer Elisabeth Grant hinter diesen Dutzenden von Codes, Splittern und schönen Fassaden tatsächlich ist, geht nur ihre Familie und ihre nächste Umgebung etwas an und interessiert mich also einen fetten Scheiss. Welchen Mehrwert dagegen irgendeine Illusion von Authentischem haben soll, wird mir hoffentlich für immer ein Rätsel bleiben.

Zum aktuellen Album ist noch zu sagen: Es gibt nichts Neues in diesem Kosmos, Gott sei‘s gedankt. Nur die wiederholte Verstofflichung dieses einmaligen Klangbildes in diese eine Substanz, die Del Rey selbst mal als Songtitel gewählt hat, giftig und gefährlich, und dann wird man auch noch abhängig davon: f*****g Heroin. Was für ein schönes Produkt diese Platte ist, ich kann mich kaum sattfühlen daran.

Außerdem läuft:

Digitalism – Wish I was There

Dagobert – Du und Ich

Goldroger — Halt

Trettmann — Das hätten wir sein können

PNL – Au DD

OrelSan – Basique

EOB (Ed O’Brien) – Brasil

Element of Crime — Wenn der Morgen graut

Wolf Mountains – Coyote

Radiohead – Ill Wind (Version)

Tame Impala – It Might Be Time

Goldroger – Lavalampe Lazer

The Lumineers – My Cell

Frank Ocean – Moon River

Lomepal – Yusuf

Yves Montand – Battling Joe

Françoise Hardy & Iggy Pop – I’ll be seeing you

Iggy Pop – Les Feuilles Mortes (Live @ France Inter)

Thom Yorke – Last I Heard (… He was circling the Drain)

Nick Cave and the Bad Seeds – Ghosteen (Global Premiere)

Vicky Leandros – Ich liebe das Leben

Digitalism – Infinity

Die Links führen in der Regel zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.