white cargo
in german only

Kategorie-Archiv: hieß vorübergehend white cargo

JANE, DOUGLAS UND ICH NICHT

julia-1  Julia  Julia_3

Ich war elf Jahre alt, als ich in Paris beinahe einen Satz zu Jane Fonda gesagt hätte. Dass ich im entscheidenden Moment krank wurde, und deshalb ein anderer Junge in diesem Film diesen Satz sagte, ist mir erst Jahrzehnte später wieder eingefallen, nämlich neulich. Meine Mutter fuhr mich damals ins Studio um vorzusprechen, die Französischlehrerin hatte mich auf eine Anfrage beim Direktorat der Deutschen Schule hin vorgeschlagen. Ich bin dann mit dem Schreiben des Direktors vor Aufregung versehentlich nach Hause gegangen, obwohl noch Unterricht gewesen wäre.

Regisseur Fred Zinnemann war im Studio nicht anwesend, und so war es wohl ein Assistent, der mich mit einem Umschlag in der Hand ein paar Mal von links nach rechts gehen und diesen einen Satz zu einer fiktiven Frau Fonda sagen ließ. Die einzige Person, an die ich mich erinnern kann, war ein unglaublich freundlicher Engländer hinter der Kamera, der mit wirrer Frisur und einer überdimensionierten Hornbrille die Probeaufnahmen technisch leitete. Douglas Slocombe, der bereits in den dreissiger Jahren als Dokumentarfilmer mit dem lauten Geräusch seiner Kamera eine Goebbels-Rede gestört hatte und später Polanskis Tanz der Vampire und die Indiana Jones Filme fotografiert hat, ist im Februar hundert Jahre alt geworden.

Meine Grippe war nach ein paar Tagen auskuriert, der Film, in dem auch Vanessa Redgrave, Jason Robards und Meryl Streep mitspielten, wurde für elf Oscars nominiert. An den Satz, den ich hätte aufsagen sollen, kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.

ÉCRITURE AUTOMATIQUE (1)

Der Sinn von Träumen ist, dass man sich beim Schlafen nicht langweilt. Das ist alles.  Max Goldt 

ma_yansong-project_superstar

Habe geträumt, dass der fantastische Ma Yansong mir einen Bungalow gebaut hat, direkt am Isarufer. Das Haus hat ein terrassenartiges, irgendwie fließendes Dach, und ist riesig in den Proportionen, aber gleichzeitig sehr klein und eng. Als ich vermeintlich aufwache, ist es aber nur noch ein Holzschuppen, und als ich hinaustrete und ans Ufer gehe, ist auch der Schuppen weg. An seiner Stelle steht eine riesige mechanische Schreibmaschine, aber auf den altmodischen runden Tasten sind ganze Wörter, keine Buchstaben. Ich werde aufgefordert, mich zu beschweren, finde aber nicht die richtigen Tasten.
Dann steht Yansong persönlich vor mir, obwohl ich gar nicht weiß wie er aussieht, und lächelt mich mit schiefen Mundwinkeln an. Ein kleiner Fleck auf meinem Hemd nervt, und ich weiß nicht mehr, was ich ihm sagen wollte. Aufgewacht.

 

OFFICE CHART SEPTEMBER / OKTOBER

Was wir diesen Monat im Büro hören

Crimson _ Red
Prefab Sprout – Crimson / Red

Es gab viel zu hören in den achtziger Jahren, und das Beste davon wollte man auch live erleben. Dafür hatte sich in der Schule wie von selbst eine entsprechende Gruppe gebildet, fast ausschliesslich zu dem Zweck, sich gemeinsam bei den angesagtesten New Wave Konzerten einzufinden, die in München stets an den gleichen, berüchtigten Orten wie der Alabamahalle, der Theaterfabrik oder dem Schwabingerbräu stattfanden. Ziel war einerseits die Huldigung der jeweiligen Band, zum anderen wollte die kompromisslose Musikbegeisterung ganz allgemein mit einem ordentlichen Bier- und Euphorie-Koma unterfüttert werden.
Eine zweite Gruppe spitzte auf dem Schulhof lediglich die Ohren, um mitzukriegen, wohin es denn diesmal gehen solle, sie stand unter dem Verdacht, sich auf den Konzerten nur einzufinden, um einmal kurz und kennerhaft herüberzugrüßen. Das Prefab Sprout Konzert war da der Testfall und Knackpunkt: An den langen Gesichtern und verwirrten Mienen bei Paddy McAloons fragilen Pop-Juwelen konnte man erkennen, wer sich vorher nicht schlau gemacht und somit verpasst hatte, dass es diesmal nicht um brachialen Postpunk ging. Darüber vergassen sie auch das lässige Grüßen, was dann ausnahmsweise die Gegenseite übernahm: Prost, ihr Pfeifen! Was aus der Spreu geworden ist, weiß ich nicht, dem Weizen geht es ganz gut, soweit er überlebt hat. Wie McAloon, der uns mit „Crimson / Red“ ein weiteres, zum Heulen schönes Album schenkt. Ein albernes Video zur großartigen Single gibt’s hier.

Außerdem:

Darkstar – A Day’s Pay for a Day’s Work

Grizzly Bear – Gun-Shy

These New Puritans – Organ Eternal

Trentemœller – Miss You

Underworld – Stagger (entspannte Radio-Live-Session hier)

Die Links führen zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.

GOLDENE TAGE

L1240273   L1250097

Schwieriger Moment: wenn man einsehen muss, dass es tatsächlich nicht mehr geht, mit dem Baden; wochenlang jeden Abend in den See gesprungen, nach Dreharbeiten, bei denen schon tagsüber das halbe Team mit den Füssen im Wasser stand. Dort dann nichts weiter getan, als selbstvergessen mit der Aufmerksamkeit zwischen den Kindern, die mit dem Fangen kleiner Fische beschäftigt sind, und der Betrachtung der reifen Abendsonne, die sich in der kältebeschlagenen Augustiner-Flasche bricht, hin und her zu oszillieren. Dann neulich zu spät zur Tonmischung von Hubert und Staller gekommen, weil sich auf dem Weg zur Bavaria der Morgennebel so unsagbar schön ins Isartal geschoben hatte, dass sowohl Auto als auch der Moment kurz angehalten werden mussten. Jetzt muss das Kaminholz wieder unters Dach, und irgendjemand sollte die Terrasse fegen. Schade. Aber in schön.

OFFICE CHART AUGUST

Was wir diesen Monat im Büro hören

Kes (Original Soundtrack Music)

John Cameron – Kes Original Soundtrack

Im Jahre 1975 betritt in einem Pariser Vorort ein zehnjähriger Junge zum ersten Mal die örtliche Leihbücherei. Er fragt nach einem Buch über die Aufzucht von Greifvögeln, aber es gibt keines. Tagelang war ihm der Film „Kes“ von Kenneth Loach nicht mehr aus dem Kopf gegangen, in dem ein anderer Junge aus dem tristen englischen Norden mit der Liebe zu einem kleinen Falken die niederschmetternde Stumpfheit seiner Umwelt zu überwinden versucht, was diese grausam zu verhindern weiß. Jahrzehnte später gehört der Film immer noch zu meiner ewigen Bestenliste, obwohl ich ihn nie wieder gesehen habe, und ebenso lange ist mir die Erinnerung an diese gehauchte Querflöte, die wie ein vertrautes Parfüm über der Handlung schwebt, nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Ich hätte sie leicht wiederfinden können. Sie war, wie so vieles heutzutage, nur zwei Klicks entfernt.

Außerdem:

The Field – Over the Ice (Live)

Daft Punk – Doin’ it right (feat. Panda Bear)

Nick Cave and the Bad Seeds – Jubilee Street

Boards of Canada – Cold Earth

Erik Truffaz Quartet – A Better Heart (feat. Anna Aaron)

Thom Yorke, John Matthias, Trinity College of Music String Ensemble – Cortical Songs (Neuron Trigger Mx)

Kammerflimmer Kollektief – Hausen

Lorn – Bretagne

PeterLicht – An meine Freunde vom leidenden Leben

Prefab Sprout – Last of the Great Romantics

Die Links führen zu sehenswerten Videos auf vimeo oder youtube und gehen in einem neuen Fenster auf.

HUBERT OG STALLER

folge-26-108~_v-varl

Noch eine lange Woche, dann sind vier neue Folgen „Hubert und Staller“ abgedreht. Dass die Serie nicht nur hier und in Österreich läuft, sondern auch in Dänemark, habe ich erst vor kurzem erfahren. Sie heisst dort „Hubert og Staller“, das Genre nennt sich „Muntre Mysterier“, und die Zusammenfassung der aktuellen Folge auf TV2 Charlie liest sich so:

„Hubert og Staller ankommer til et naturskønt sted, hvor nogen ulovligt har smidt en masse affald. I kedsomhed over den u-spændende forbrydelse skyder Staller lidt til måls efter en trækogle. Uheldigvis rammer han et kronvildt i stedet for koglen, og så melder vanskelighederne sig. Da politifolkene forsøger at bortskaffe liget af hjorten, dukker den lokale journalist op. Hun har fået færden af Stallers „uheld“ og indleder en undersøgelse, der pludselig griber om sig – med flere hjorte-lig til følge!“

Am schönsten schillert für mich ‚Da politifolkene forsøger‘, worunter ich mir jemanden wie Neil Young oder Bob Dylan vorgestellt habe (was weiß ich, was meine Kollegen da für Bücher hatten), aber leider bedeutet es nur ‚Die Polizisten versuchen‘. Dafür ist aber ‚pludselig‘ deutlich gemütvoller als ‚plötzlich‘, und das Wort für Regie hat einen angenehm pragmatischen Einschlag: Es lautet ‚Instruktion‘. Skøre danskere!